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Kunst und Kultur zu Hohenaschau

Gedehnter Augenblick

Von Philipp Mager *
Aus dem Katalog zum 20jährigen Jubiläum


Berlin, Spätherbst 1999. Ich ging zur Wohnung von Thomas Kämmerer, um dort zum ersten Mal Rudolph Distler zu treffen, den Kurator des Kunstvereines Hohenaschau. Als ich ihm, ausser Atem von sechs steilen Treppen, gegenüber stand, reichte er mir die Hand und blickte mir sekundenlang prüfend ins Gesicht. Es war der Beginn einer Freundschaft. Will man einen Text zum Jubiläum eines Kunstvereines schreiben, so schreibt man gewöhnlich über Schwerpunkte, Traditionen und Verdienste. Zu einem solchen Text aufgefordert wurde mir einmal mehr klar, dass all dies in Hohenaschau mit der Person Rudolph Distlers zusammenhängt, wenn nicht gar zusammenfällt. Daher spreche ich hier über mein ganz persönliches Verhältnis zu Distler, der als Gründungsmitglied von Anfang an den Verein kuratorisch betreut hat.

Rudolph Distler ist ein Genie der Freundschaft, der ein breites Netz von Verbindungen zu zahlreichen Künstlern pflegt. Räumliche Ferne ist für ihn kein Hindernis: es gibt ja das Telefon. Wir wissen beide sehr genau, dass die Kunst eine Scholastik ist, dass sie nicht linear verläuft, sondern zirkulär. Und so philosophieren wir ab und an, wie man Neues machen kann, ohne das Alte, Bewährte zu verlieren.

Distler sagt immer, Freundschaft sei keine Einbahnstrasse. Er sieht sich nicht nur als den Gebenden, sondern er fordert auch viel von seinen Freunden, die oft als Beschenkte Mühe haben, angemessen zurück zu schenken. Das liegt am Reichtum an Gedanken, an der Freigiebigkeit und Treue dieses Künstlers. Letztere durfte nicht zuletzt der Schreiber dieser Zeilen ein um das andere Mal erfahren.

An jenem Abend in Berlin fuhren wir dann noch zur Paris Bar und setzten uns an den Tisch von Klaus Fußmann. Es saßen da noch andere Künstler in munterem Gespräch. Später im Zwiebelfisch kam dann von Rudolph Distler das Angebot an mich, im Jahr 2001 im Verein Kunst und Kultur zu Hohenaschau auszustellen, gleichzeitig bot er mir das Du an. Natürlich wollte ich... beides! Bis heute war ich achtmal in Hohenaschau vertreten.

Ich kenne keinen Kunstverein, der auf so hohem professionellen Niveau geführt wird wie der Kunstverein Hohenaschau. Und dies obwohl – oder vielleicht gerade – weil alle die Distler im Laufe der Jahre um sich geschart hat, sich dort ehrenamtlich engagieren. Warum funktioniert dieser Verein so viel besser als andere? Antwort: Freundschaft. Wo Menschen, die sich gegenseitig verbunden fühlen, zusammenarbeiten, entsteht hohe Qualität.

Groß ist Rudolph Distlers Verdienst um junge, talentierte Künstler, die noch nicht im Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit stehen. Dank seines sicheren Gespürs für gute Kunst treffen in den historischen Ausstellungsräumen des Vereins gestandene Maler, wie Distler selber, Fuchs, Fußmann, Rink, Anderson auf Nachwuchskünstler wie Mirko Schallenberg, Thomas Kämmerer, Bodo Rott, Christopher Lehmpfuhl, Kathrin Rank, Yvette Kiesling und viele mehr. Nicht Tendenz ist gefragt, sondern gute Malerei.

Über den Verein kann man nicht reden, ohne die Qualität der Ausstellungsräume zu erwähnen. Auf zwei Ebenen können sowohl Einzel- als auch Gruppenausstellungen hervorragend präsentiert werden. Distler begegnet den Ausstellenden nicht als Ausstellungsmacher, sondern in erster Linie als Kollege, der seinen Sachverstand einsetzt, um eine gute Auswahl gut zu hängen.

Wenn Rudolph Distler in Berlin ist, trifft sich der alte Freundeskreis wie ehedem in der Paris Bar. Inzwischen sind wir uns so vertraut, dass wir vor unsern Bildern sitzen, schauen und schweigen können. Hier und da fällt ein Wort, vielleicht so eines, wie es sich Schauspieler hinter den Kulissen zuraunen, bevor es hinaus geht auf die Szene. Auch der Künstler ist ein Spieler, der seine Rolle in der Gesellschaft ernst nehmen muss, auch das kann man von Rudolph lernen.

* Philipp Mager ist Maler und lebt in Berlin